Cover
Titel
A World of Homeowners. American Power and the Politics of Housing Aid


Autor(en)
Kwak, Nancy H.
Reihe
Historical Studies of Urban America
Erschienen
Anzahl Seiten
312 S.
Preis
€ 41,51
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Watermann, Institut für Geschichte, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Als am 15. September 2008 die traditionsreiche Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz anmeldete, war dies vorläufiger Höhepunkt einer Banken- und Finanzkrise, die globale Ausmaße annehmen sollte. Bereits eine Woche zuvor sorgte die Verstaatlichung der angeschlagenen US-Hypothekengiganten Fannie Mae und Freddie Mac für Schlagzeilen. Als Ursachen der Krise wurden unter anderem der aufgeblähte amerikanische Immobilienmarkt und die Risikogeschäfte innerhalb der ihn tragenden Banken- und Finanzarchitektur ausgemacht. Betroffen war damit der Kern des American Dream vom Eigenheim für jedermann. Immer häufiger wurde in der Folge ein Ende der Suburbs prognostiziert1, von politischer und ökonomischer Wirkmächtigkeit ist der Traum vom eigenen Heim jedoch geblieben. Nicht von ungefähr twitterte der heutige US-Präsident Donald Trump im Juli 2016: „American homeownership rate in Q2 2016 was 62.9% – lowest rate in 51yrs. WE will bring back the ‚American Dream!‘“2

In dem Buch „A World of Homeowners“ ergründet Nancy H. Kwak, Associate Professor im Fachbereich Geschichte der Universität San Diego, die Ursprünge der Deutung von Hausbesitz als Teil des American Dream und zeigt, wie amerikanische Politiker, Geschäftsleute und Experten im Rahmen der Außen- und Entwicklungspolitik diese Vorstellung nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich in die ganze Welt exportierten. Der ungemein innovative Charakter ihres Buches ist darin zu sehen, dass sie die politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Dimensionen von Hausbesitz in einer dezidiert transnationalen Perspektive zusammenführt.

Ausgangspunkt der Studie ist die Beleuchtung der Entstehung eines spezifischen amerikanischen Modells privaten Hausbesitzes, das Unternehmer, Immobilienlobby und konservative Politiker während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Abgrenzung zur europäischen Wohnungspolitik entwickelten. Private Investitionen, hypothekenfinanzierter Hausbesitz und freier Markt wurden als Kennzeichen von Freiheit, Kapitalismus und Demokratie dem „sozialistischen“ Wohnungsbau entgegengesetzt. Diese bewusste Überzeichnung eines Antagonismus von privatem und öffentlichem Wohnungsbau wird im Buch immer wieder thematisiert, da sie beim Export des amerikanischen Modells eine gewichtige Rolle spielte. Mit der Gegenüberstellung wurde, wie die Autorin herausarbeitet, indes verschleiert, dass die Entwicklung geeigneter Finanzierungsinstrumente für privaten Hausbesitz weder in den USA noch im Ausland ohne umfangreiche staatliche Unterstützung, Sicherheiten und Garantien möglich war.

Vor dem Hintergrund des Kalten Krieges wurde die Hilfe beim Häuser- und Wohnungsbau unter anderem in Taiwan, Burma und Südkorea zu einem Instrument amerikanischer Außenpolitik. Im zweiten Teil des Buches schildert Kwak, wie in diesen Ländern Hilfe-zur-Selbsthilfe-Praktiken mit dem Ziel, die Zahl der Hausbesitzer zu erhöhen, erprobt wurden. Amerikanische Politiker und Experten versprachen sich davon wirtschaftlichen Aufschwung, Partizipation der Bevölkerung und eine Stabilisierung sensibler, von kommunistischen Umstürzen bedrohter Regionen. Die Programme waren damit vorrangig durch amerikanische Sicherheitsinteressen motiviert. „[A] dramatic change in the American approach to housing aid“ (S. 83) vollzog sich in Südkorea mit der Konzentration auf die Schaffung von Institutionen und Techniken zur Finanzierung des Häuserbaus. Im Kontext der Vorstellung von „den Tropen“ entwickelten amerikanische Experten Konzepte des Hausbaus für weite Teile der dekolonisierten Welt (3. Teil). Ihre Entwürfe für die Errichtung von Häusern, die entsprechend der klimatischen Bedingungen entworfen werden sollten, setzten sich jedoch nicht durch. Während in den „amerikanischen Tropen“, Puerto Rico, erfolgreich ein System der Selbsthilfe etabliert wurde, gelang es nicht, dieses nach Singapur und in die Philippinen zu übertragen. Philippinische Politiker waren eher an der Etablierung von Äquivalenten zu US-Finanzinstitutionen bei der Förderung des Häuserbaus interessiert – mit der langfristigen Folge wachsender sozialer Ungleichheit und sozialräumlicher Segregation.

Im vierten Teil des Buches vollzieht Kwak einen Wechsel der Perspektive und rückt das amerikanische Ziel der Verbreitung des Hausbesitzerideals als Big Business in den Mittelpunkt. Unternehmer wie Willard Garvey, Erbe eines gigantischen Getreide-, Öl- und Immobilienimperiums, verbanden ihre ökonomischen Interessen geschickt mit Kalter-Kriegs-Rhetorik: „Food and housing are Russia’s vacuum. Let’s hit them where they live, housing, and food.“ (S. 128) In den zunehmend von gesellschaftlichen Spannungen geprägten Staaten Lateinamerikas folgten Investitionen im großen Stil. Möglich waren diese nur durch umfangreiche staatliche Garantien, die vom US-Kongress festgeschrieben wurden (Housing Investment Guarantee 1961, S. 150ff.). Gefördert werden sollte vor allem die Mittelschicht, ohne genaue Vorstellungen von ihrem sozioökonomischen und kulturellen Zusammenhalt zu haben, während der Hausbau für einkommensschwache Schichten vernachlässigt wurde. Die sehr ungleiche Unterstützung der Mittelschicht einerseits und der städtischen Unterschicht andererseits, welche die Wohnungspolitik in den USA selbst kennzeichnete, wurde damit in die Entwicklungsländer übertragen (S. 132). Eine von US Steel finanzierte Ausstellung zur Anpreisung der Vorzüge amerikanischen Wohnens war im Jahr 1956 mit der Darstellung einer weißen Familie in der durch und durch weißen Gemeinde Fairless Hills ungewollt ehrlich (S. 171). Das Problem der ethnischen Segregation, untrennbar mit dem amerikanischen Suburbia verbunden3, stellte den Vorbildcharakter der USA in Sachen Wohnen in Frage. In diesem Zusammenhang erläutert Kwak im fünften Teil, wie Hilfe-zur-Selbsthilfe-Programme, in Übersee getestet, seit den späten 1960er-Jahren hinsichtlich der Versorgung der Minderheiten in den USA mit Hausbesitz adaptiert wurden. Die Bilanz dieses Rücktransfers fällt jedoch durchwachsen aus. Bis heute sind Fragen des „Fair Homeownership“ oder „Affordable Housing“ drängend geblieben.

Gab es einen globalen „Homeownership Consensus“? Kwak untersucht im abschließenden sechsten Teil ihres Buches die Verbreitung der amerikanischen Techniken zur Förderung von Hausbesitz in der internationalen Entwicklungspolitik und richtet dabei den Fokus auf die Weltbank mit ihren Problemlösungsstrategien für urbane Wohnungsnot. Konterkariert wurde die Wahrnehmung eines Konsenses von Entwicklungshilfeorganisationen, Regierungen und NGOs vor allem durch die Eindrücke benachteiligter Unterschichten, die den „Traum“ vom Hausbesitz nicht teilten oder ihn, aufgrund steigender Lebenshaltungskosten, gar als Bürde empfanden (S. 230ff.). Diese Spannung zwischen dem amerikanischen Ideal privaten Hausbesitzes und der realen politischen Umsetzung sowie ihrer gesellschaftlich-kulturellen Akzeptanz ist ein wichtiges Thema ihrer Studie, wie Kwak selbst feststellt (S. 12, 233). Sie durchzieht als roter Faden das gesamte Buch.

Folgende Kritikpunkte möchte ich anführen: Politische und wirtschaftliche Programme, Praktiken und Empfehlungen waren, so Kwak, „not inevitable steps in the evolution of capitalism, but rather the products of specific actors and institutions yielding highly variable outcomes“ (S. 2). Doch welche Akteure sich aus welchen Gründen im unübersichtlichen Geflecht lokaler, nationaler und global agierender Politiker, Geschäftsleute, Wissenschaftler und sonstiger Experten, die in verschiedensten Behörden und Institutionen tätig waren, durchsetzten, ist für den Leser nicht immer nachvollziehbar.

Damit geht einher, dass bedeutende politische Veränderungen mitunter nicht angemessen reflektiert werden. Dies gilt zum Beispiel für die Verbreitung neoliberaler Ideen über Netzwerke und Think Tanks sowie den Regierungsantritt Ronald Reagans. Zusammenhänge zwischen neoliberalen Politikansätzen und den transnationalen Wissenstransfers im Bereich Wohnungspolitik und Stadtentwicklung werden von Kwak allenfalls implizit thematisiert.4 Zudem hätte sich angeboten, Entwicklungen in Großbritannien und Deutschland miteinzubeziehen, auch wenn im Vordergrund der Analyse die Frage nach der globalen Durchsetzung des Ideals der Hausbesitzergesellschaft durch amerikanische Entwicklungshilfe steht. So kam es mit der Right-to-Buy-Politik unter Margaret Thatcher in Großbritannien zu einer Annäherung an das amerikanische Modell, was sich in das Narrativ Kwaks eingefügt hätte, zumal sie die britische Wohnungspolitik unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ausführlicher erörtert. Auch wird die Frage, warum die Bundesrepublik, die im Zuge des Marshall-Plans umfangreiche Hilfsmittel erhalten hatte, eher ein Land der Mieter geblieben ist, im Buch nicht aufgeworfen.5

Die Autorin merkt an, ihr Buch sei keine umfassende Studie der amerikanischen Entwicklungspolitik oder internationalen Wohnens und Häuserbaus (S. 8). Wenn jedoch die Durchsetzung des Hausbesitzerideals als politisches Ziel im Kalten Krieg und später – in der Regel mit politisch-ideologischen Vorstellungen verwoben – als wichtige Investmentmöglichkeit im Mittelpunkt steht, ist eine eingehendere Betrachtung der Perzeptionen und langfristigen politischen und wirtschaftlichen Folgen in den Entwicklungsländern notwendig, um die amerikanische Politik und den Wissenstransfer eingehender bewerten zu können.

Resümierend ist dessen ungeachtet festzuhalten, dass Nancy H. Kwak eine herausragende Pionierstudie vorgelegt hat, die relevante neue Fragen aufwirft und weitere Studien anregen wird. Kwak ging es nicht in erster Linie darum, die Vorgeschichte des eingangs erwähnten Subprime Meltdown, der 2007 seinen Anfang nahm, zu schreiben. Und doch zeigt ihre Analyse Verbindungslinien auf, die auch in der internationalen Verbreitung des Hausbesitzerideals selbst gesehen werden können: Gerade die Überzeugung von der Unerschütterlichkeit und dem stetigen Wachstum des Immobilienmarktes im Mutterland dieses Modells verführte Anleger weltweit zu Investitionen in den American Dream vom Eigenheim.

Anmerkungen:
1 Z.B. Leigh Gallagher, The End of the Suburbs. Where the American Dream Is Moving, New York 2013. Gallagher verbindet ihre These vom Ende der Suburbs mit dem Aufkommen des New Urbanism.
2 Donald J. Trump (realDonaldTrump), American homeownership rate in Q2 2016 was 62.9% - lowest rate in 51yrs. WE will bring back the ‘American Dream!’, 30. Juli 2016, Twitter, https://twitter.com/realDonaldTrump/status/759381869267980288 (05.05.2017).
3 Siehe z.B. Dianne Suzette Harris, Little White Houses. How Postwar Home Constructed Race in America, Minneapolis 2013.
4 Daniel Stedman Jones zeigt die politischen Veränderungen im Bereich „Affordable Housing“ und Stadtpolitik in den USA und Großbritannien auf, um damit jedoch zugleich die Annahme eines Masterplans neoliberaler Politik zu dekonstruieren. Vgl. Daniel Stedman Jones, Masters of the Universe. Hayek, Friedman, and the Birth of Neoliberal Politics, Princeton 2012, S. 273–328.
5 Siehe Michael Voigtländer, Why Is the German Homeownership Rate so Low?, in: Housing Studies 24 (2009), S. 355–372.